(*3) P.Polenz ; Funktionsverben in heutigen Deutsch
(*4) P.Polenz ; Funktionsverben
Die Wendungen sind im Unterschied zu der weiter oben erwähnten Gruppe der phraseologischen Einheiten und Idiome nicht grundsäzlich expressiv. Nicht selten vermögen sie eine Lücke im Arsenal unserer sprachlichen Ausdrucksmittel zu schliessen, weil es ein entsprechendes Einzelwort überhaupt nicht so gibt.
in Übereinstimmung bringen
zur Explosion bringen
ein Gesetz verabschieden
zur Verfügung stehen
zur Geltung kommen
Auch dort, wo ein entsprechendes Einzelwort vorhanden ist, gibt es meist semantische und andere Unterschiede zwischen beiden lexikalischen Einheiten. Man haelt deshalb die gelegentlich immer noch geäusserte Ansicht, solchen Wendungen gegenüber sei „ Zurückhaltung am Platze“ und „ das überflüssig Gedehnte“ sei „mangelhaft“, für nicht treffend. Da die Wendungen eine Bereicherung unserer Ausdrucksmittel darstelle, sind sie grundsätzlich positiv zu bewehrten. Ausdrucksmängel sind hier nicht häufiger als beim Gebrauch anderer Synonyme und sonstiger sprachlicher Mittel.
Nach der Meinungen von Stilisten nennt man phraseologische Wortfügungen feste Wortverbindungen, , bei denen die stilistischen Kategorien Bildkraft, Emotionalität, und damit auch Eindringlichkeit und Überzeugungskraft , in den Vordergrund rücken.
Laut des Lehrbuches «Deutsche Stilistik» von E.Schendels und E. Riesel kann man drei Gruppen dieser phraseologischen Wortfuegungen auszeichnen.
1) Es entsteht vielmehr eine semantisch neue Qualität,sozusagen eine chemische Verbindung (*1), deren Bestandteile ineinander verschmolzen sind.
Hierher zählen wir:
a)die mannigfachen Arten der Idiome und
b)die Zwillingsformeln
Es handelt sich um phraseologische Fügungen, die einen Einzelbegriff ausdrücken; diese erste Untergruppe bildet den Kern der expressiven Phraseologie.’
Der Name geht darauf zurück, dass hier unter den drei Möglichkeiten der Stilfärbung die expressive Komponente dominiert. Insbesondere den Idiomen eignen alle möglichen Ausdrucksnuancen ( scherzhaft, spöttisch, satirisch, abwertend, feierlich, vertraulich u.a.m.), auf jeden Fall ist die Expressivität deutlich spürbar.
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(*1) V.Schmidt
Stark ausgeprägt ist auch die normativ-stilistische Komponente dieser Wendungen - vom Normalsprachlichen zum leicht und stark Gesenkten einerseits, zum Gehobenen und Gespreizten anderseits.
2) Die zweite Untergruppe, zwischen Wort-und Satzäquivalent stehend, bilden die stehenden Vergleiche. Sie sind im wörtlichen Sinn oder hyberbolisch überspitzt zu verstehen.
3).Die dritte Untergruppe der Phraseologismen bilden die Fügungen, die einen geschlossenen Gedanken in Satzform mitteilen. Hierher zählen wir : Sprichwörter, Aphorismen, Sentenzen, Losungen. Der Gesamtsinn dieser Satzphraseologismen erwächst aus der Summe der einzelnen Lexeme in direkter oder übertragener (oft symbolischer) Bedeutung.
2.IDIOME
Idiome sind Redewendungen, dessen feste (oft metaphorische) Bedeutung von ihren einzelnen Teilen nicht abgeleitet werden kann. Idiome benutzen oft spezielles lexikalisches Material, das nicht zu dem gebräuchlichen Wortschatz der Sprache gehört.
Leicht verständlich sind die substantivischen und verbalen festen Wortfügungen,die dank der übertragenen Bedeutung nichtexpressiver Redewendungen unmittelbar erfasst werden können (nach E. Riesel und E. Schendels): So z.B. die Wendungen mit Abstand ( d.h. bei weitem) der beste;
jmdm. den Star stechen
( Star – Augenkrankheit; den Star stehen: 1.den Star
operieren; 2. jmdm die Augen öffnen)
Die Hauptmasse der Idiome besitzt umgangssprachliche Stilfärbung, in der Richtung zum Saloppen hin. Ziemlich gross ist die Zahl der groben Idiome. Auch hier bereitet die Abgrenzung zwischen den einzelnen Punkten der Stilfärbungsskala grosse Schwierigkeiten. Der eine hält Redewendungen wie:
Was ist dir schon wieder über die Leber gelaufen?
für literarisch-umgangssprachlich, der andere für salopp, ein dritter hält sie sogar für derb. Es ist aber durchaus nicht ausgeschlossen, dass ein vierter sie in der litetarischen Schriftsprache zulässt.
Bemerkenswert, dass Idiome auch als Lehnübersetzungen aus Fremdsprachen übernommen werden können. So ist gerade in letzter Zeit häufig eine Wendung anzutreffen, die aus dem Englischen stammt: rund um die Uhr (schlafen, arbeiten)- d.h. 12 bzw.24 Stunden. Nach Küper soll dieser Ausdrück schon im 19. Jahrhundert ins Deutsche gedrungen sein.
Wie dem auch sei, wird heute dieser Phraseologismus in der Bedeutung “ Tag und Nacht , ununterbrochen“ in der Presse und Publizistik sowie in der Sachprosa gern verwendet.Ein Beispiel dazu:
Das Kraft- und Schleusenwerk am Eisernen Tor, von Rumaenien und Jugoslawien gemeinsam erbaut, ermöglicht das Passieren der gefährlichen Strommenge rund um die Uhr.
Im Stil der Alltagsrede wird dieser expressive Ausdruck hyperbolisch gebraucht, so etwa in der Feststellung eines Studenten:
Vor der Prüfung sitze ich rund um die Uhr am Schreibtisch.
Wie aus den vorangehenden Ausführungen ersichtlich ist, besteht die stilistische Leistung der ideomatischen Phraseologismen hauptsächlich darin, das Gesagte bildkräftig, lebendig und emotional darzustellen, ihm Nachdruck und Nachprämsamkeit zu verleihen.
Einen weiteren wichtigen Ausdruckswert kann man in ihrer Eignung als Mittel von Humor, Spott und Satire sehen. Zahlreiche Idiome enthalten schon an sich ein komisches oder groteskes Bild , so z.B.
Ein Wink mit dem Zaunpfahl – eine deutliche
Aufforderung
und die zugehoerigen Variationen :
ein Wink mit dem Laternenpfahl
ein Wink mit dem Schneunentor
Bei manchen Wendungen reizt die sprachliche Form selbst zum Lachen, so z.B. bei norddeutschem Idiom :
am dransten sein – als nächster an der Reihe sein
Als Spielart der Idiome kann man die interjektionsartigen Ausrufe in elliptischer oder in Satzform auffassen(*1), insofern sie die Grundbedingung dieses phraseologischen Typs erfühlen – das Verschmelzen der einzelnen Wortverbindungsglieder zu einer Sinneinheit, zu einer semantischen Ganzheit. Ihre normative Stilfärbung : lit.-umg. ueber sallop zu grob. Einige Beispiele:
Gerechter Gott! Gerechter Himmel!
Ach du meine Guete!
Himmel noch einmal !
Himmel, Herrgott, Donnerwetter!
und eine ganze Menge landschaftlich unterschiedlicher „Bandwurmphraseologismen“, die vielleicht dazu dienen, durch die Länge der Ausrufe die Erregung abflauen zu lassen. Die derbe Wortgruppe Verflucht und zugenäht ! ist sinngleich mit Verflixt (*2) und zugenäht! ( bei beiden Idiomen ist der Grund der Nebeneinnanderstellung gerade dieser Partizipien unklar).
Als nächste Spielart sei noch eine Gruppe substantivischer Idiome genannt. Es sind die Wortfügungen des Typs Attribut+ Substantiv, bei denen entweder nur eine Komponente oder auch beide eine semantische Umdeutung mitgemacht haben:
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(*1) Moskalskaja, Über idiomatische Satzstruckturen
(*2) verhüllend fuer: verflucht
blinder Passagier – ein Passagier, der sich heimlich eingeschlichten hat und mitfährt- meist aufs Schiff oder ins Flugzeug
der schwarze Markt – illegaler Markt zu ueberpreisen
schwarzes Gold – Kohle
Aus stilistischer Sicht könnte man hierher noch eine Untergruppe fester Wortverbindungen hinzufügen, die allerdings nach streng strukturell-semantischer Klassifikation als nichtphraseologischer Typ bezeichnet wird. Es sind die nach dem grammatisch-stilistischen Modell geformten Wendungen des Typs Substantiv + Präposition + Substantiv , wie:
Ein Adonis von einem Jungling
eine Nussschale von einem Schiff
Diesen Wendungen liegen implizite Vergleiche zugrunde:
Ein Schiff, so klein wie eine Nussschale
Einige Stilforscher zählen diesen expressiven Typ unmittelbar zu den Metaphern. Für diese Anname könnten Beispiele angeführt werden, wie etwa die literarisch – umgangssprachliche Wendung:
Gedicht von einer Torte
Der Kaffe war gut,der Kuchen ein Gedicht!
Eine kleine Variation enthalten die Fügungen des Typs: das Ideal von einem Menschen, ein Vorbild von einem Studenten. Wenn bei den obengenannten Belegen beide Substantive konkret sind, so ist hier das erste Substantiv ein Abstraktum; dieses Model kann oft durch eine Genetivkonstruktion ersetzt werden: das Ideal eines Menschen. In beiden Variationen verschmelzen die zwei Komponenten der Wortgruppe zu einem Einzelbegriff ( ein bildschöner Juengling, ein idealer Mensch)
Als Übergang zwischen Idiomen und Sprichwörtern kann man die sprichwörtlichen Redensarten ansehen, die meist ( aber nicht immer) in prädikativer Aussageform eine unzerlegbare Sinneinheit ausdrücken. So etwa:
Das kann einen Hund jammern – erbarmenschswert
Von dem nimmt kein Hund ein Stück Brot mehr – jmd.wird
vonalle verachtet
Abwertend klingt auch die Redensart:
Diese Milchmädchenrechnung geht nicht auf
Wobei das Kompositum einen Trugschluss , eine auf unsicherern Fakten aufgebaute Rechnung bezeichnet.
Im gleichen Sinn :
Eine Milchmädchenrechnung aufmachen – etwas Unsicheres oder Falsches als gültig darstellen
In der Presse kann man z.B. lesen, dass die Preispolitik der Grosshändler sich oft als Milchmädchenrechnung entpuppt, die den Werktätigen zum Schaden gereicht.
Zahlenmässig bedeutend geringer als die mannigfachen Idiome sind die Zwillingsformeln (Wortpaare) – vor allem die altueberlieferten. Sie drücken einen Begriff tautologisch aus
mit Muh und Not
zittern und zagen
oder durch zwei thematisch verwandte Lexeme
fix und fertig
bei Nacht und Nebel,
seltener in antonymische Komponenten zerlegt
Himmel und Hölle
Hier und dort
formal gebunden sind diese Wortpaare durch Alliteration
Gang und gäbe
Null und nichtig
durch Assonanz
kurz und gut
von echtem Schrot und Korn
oder durch Reim
mit Sack und Pack
auf Schritt und Tritt
Wie immer hängen die einzelnen Komponenten der Stilfärbung eng un einnander zusammen. Jmd. in Acht und Bann tun klingt etwas gewählt, weil diese Wendung aus der alten deutschen Rechtssprache kommt, daher auch ihr heute beschränkter Gebrauchswert.Das Ach und Weh, angst und bang sind vollständig schriftsprachlich. Dass sie trotzdem in einnigen funktionalen Stilen nicht angemessen sind, liegt nur an ihrer Expressivität. Es wäre gewiss nicht am Platz, in einem linguistischen Kommenter zu schreiben:
Die etymologische Bedeutung dieses Wortes lässt sich nur mit Mühe und Not feststellen.
Es muss heissen : …lässt sich nur schwer feststellen.
Als echt volkstümliches Nationalgut sind die Wortpaare in der Folklore zu Hause: im Märchen, in der Sage, im Rätzel, im Volkslied u.ä. Sie sind sofort zur Stelle, von sich um volkstuemliche Stilisierung handelt ( vgl.In Goethes «Erlkoenig»):
Durch Nacht und Wind
Mit Kron und Schweif
Mit Muhe und Not
An den Zwillingsformen läst sich eine interessante phonostilistische Erscheinung nachweisen. Wenn das Wortpaar ungleich lange Wörter ethält, steht zuerst das kürzere, dann das längere:
Ross und Reiter
Nie und nimmer
Zwischen Tür und Angel
2.1. TYPEN VON IDIOMEN NACH IHRER SYNTAKTISCHEN STRUKTUR
Manche Idiome können wörtlich in die Zielsprache übersetzt werden.
z.B. das Kind mit dem Bade ausschütten
Andere Idiome werden übersetzt, indem man ``das gleiche Bild'', aber eine andere Struktur verwendet
z.B. ohne mit der Wimper zu zucken
Viele Idiome können nur mit ihrer literalen Bedeutung überetzt werden, (falls es in der Zielsprache kein entsprechendes Idiom gibt).
z.B.ein Wink mit dem Zaunpfahl
2.2. TYPEN VON IDIOMEN NACH IHRER ``KOMPOSITIONSFAEHIGKEIT''
Kompositionelle Idiome - ihre syntaktische Struktur ist modifizierbar (Adjektive können gesteigert werden usw...); ihre einzelnen Teile zeigen auf ``das Bild'' der literalen Bedeutung.
z.B. gute Karten haben (bessere Karten haben)
Halbkompositionelle Idiome - mindestens eine Komponente hat ihre ursprüngliche Bedeutung.
z.B. mit Argusaugen beobachten
Nichtkompositionelle Idiome - diese sind weder syntaktisch, noch lexikalisch erweiterbar, ohne daß sie ihre idiomatische Bedeutung verlieren.
z.B. Nägel mit Köpfen machen (*gute Nägel mit Köpfen produzieren)
Es sind insgeasmt 71000 Idiompaare in der Übersetzungsspeicher vorhanden. Diese sind nicht normalisiert und oft isoliert (Einträge ohne Kontext). Die automatische Übersetzung ist nicht möglich. Diese Art Lexikon ist nur zum manuellen Nachschlagen gedacht.
z.B . Hand und Fuß haben
Was er macht hat Hand und Fuß
2.3. DIE STEHENDEN VERGLEICHE
Die zweite Gruppe der expressiven Phraseologie (zwischen Wort- und Satzäquivalent) bilden die stehenden Vergleiche. Die meisten normalsprachlichen Vergleiche haben bis auf die Gegenwart ihre Bildkraft bewahrt:
Fleissig wie eine Biene ( Ameise)
Dünn wie ein Zwirnfaden
dick wie ein Fass (eine Tonne)
Schreiben wie der Hahn auf dem Mist
Bedeutend seltener findet man in stehenden Vergleichen gewählte Stilfärbung:
Schön wie der junge Maientag
Zahlreiche stehende Vergleiche sind von vornherein auf Witz und Groteske aufgebaut, so z.B. die verschiedenen Variationen des phraseologischen Klischees klar wie Kristall:
Klar wie Klossbrüne
wie dicke Tinte
wie Schuhwichs wie Zwetschenbrühe
wie Mehlsuppe
wie Torf u.a.
Alle diese Wendungen bedeuten: „hell, rein, völlig durchsichtlich“. Tatsächlich entspricht nur die erste (literarische) Fassung dieser Bedeutung; alle anderen sind scherzhaft- ironisch gemeint. Denn Klossbrühne und Mehlsuppe sind milchig- trübe, dicke Tinte, Torf und Schuhwichs völlig undurchsichtig ( bei „Schuhwichs“ wirkt vielleicht der Glanz als Vergleichsmoment).
Wie aus dem eben angeführten Beispiel ersichtlich ist, neigen die phraseologischen Vergleiche zu Variotionen im Ausdruck ( teils ideographisch abgeschattet, teils territorial und zeitlich bedingt). In Umlauf sind z.B. folgende stehende Vergleiche als Zusatz zu dem Verbum lügen:
lügen Wie eine Leichenrede
lügen Wie geschmiert
lügen Wie gedruckt
lügen Wie im Buch/ in der Zeitung
lügen Wie telegraphiert
lügen Wie Munchhausen
lügen Wie Goebbels
lügen Wie der Wetterdienst
2.4. SPRICHWÖRTER
Die dritte Gruppe der Phraseologismen bilden die Fügungen, die einen geschlossenen Gedanken in Satzform mitteilen. Hierher zählen wir : Sprichwörter, Aphorismen, Sentenzen, Losungen. Der Gesamtsinn dieser Satzphraseologismen erwächst aus der Summe der einzelnen Lexeme in direkter oder übertragener (oft symbolischer) Bedeutung.
Unter den Phraseologismen, die einen geschlossenen Gedanken in Satzform mitteilen, seien vor allem die Sprichwörter genannt. Sie sind altes Nationalgut – Volksweisheit , die mündlich überliefert ist. Eigentlich könnte man sie wegen ihrer geschlossenen Form als einfachstes Genre der Volksdichtung bezeichnet.Gleichzeitig können sie aber auch als Untergruppe der expressiven Phraseologie angesehen werden, da sie einen festen Bestandteil der emotionalen Rede bilden.